„Wer aufs Pferd steigt, kann sich besser vor Corona schützen“
Das Coronavirus beeinflusst noch immer den Alltag der Menschen weltweit. In Deutschland sinkt zwar die Zahl der täglichen Neuinfektionen und die Zahl der Genesenen steigt. Doch solange es keinen Impfstoff gegen das Virus gibt, bleiben einige Einschränkungen sowie das Risiko einer Infektion bestehen. Trotzdem dürfen sich Pferdesportler darüber freuen, dass Training und Unterricht wieder erlaubt sind. Im Interview mit FN-Aktuell erklärt der renommierte Rechts- und Sportmediziner Professor Klaus Püschel, weshalb der Pferdesport so „Corona-konform“ und gesundheitsförderlich ist und spricht sich auch für die Wiederaufnahme des Turniersports aus.
FN-Aktuell: Herr Professor Püschel, wie stehen Sie generell zu der
Frage, ob in Zeiten von Corona Sport und insbesondere Pferdesport
betrieben werden sollte?
Professor Püschel: Aufgrund meines Alters gehöre
ich zur Risikogruppe, aber was ich in den letzten Wochen
leidenschaftlich verfolgt habe, ist der Sport auf unseren Islandpferden.
Das lasse ich mir nicht nehmen. Darauf freue ich mich jedes Mal und ich
halte das auch für eine besonders gute Prävention. An die frische Luft
zu gehen und sich zu bewegen ist in Corona-Zeiten das Beste was man tun
kann. Vor allem Kinder sollte man jetzt unbedingt wieder aktivieren und
nach draußen schicken. Draußen zu sein und sich der Witterung
auszusetzen stärkt die Abwehrkräfte und das Immunsystem, das ist
wissenschaftlich belegt. Es gibt inzwischen auch Daten aus dem Bereich
der Bewegungsmedizin die besagen, dass Menschen, die Sport treiben, die
Krankheit Covid-19 zu 50 Prozent besser überstehen als andere Menschen.
Das Schlimmste was man machen kann, ist nur zu Hause auf dem Sofa zu
sitzen. Denn unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass
Thrombosen und Embolien, die auch durch Bewegungsmangel entstehen, eine
wichtige Rolle beim Verlauf der Covid-19-Erkrankungen spielen. Ich
plädiere deshalb ausdrücklich dafür aufs Pferd zu steigen. Der
Pferdesport ist in jeder Hinsicht ideal geeignet, um die nötigen
Abstands- und Hygiene-Regeln einzuhalten, denn er ist keine
Kontaktsportart und findet nicht in geschlossenen Räumen statt. Auf den
Pferdesportanlagen ist viel Platz, um sich aus dem Weg zu gehen.
Natürlich kann man sich auch beim Reiten, wie überall, mit dem Virus
infizieren. Wer aber aufs Pferd steigt, der wird nicht so schwer
erkranken und kann sich besser vor Corona schützen.
FN-Aktuell: In einigen Bundesländern heißt es, dass Sport nur im
Freien stattfinden darf. Für den Pferdesport würde das bedeuten, dass
Reithallen nicht für Training und Unterricht genutzt werden dürften. Für
wie sinnvoll halten Sie diese Regel?
Professor Püschel: Der Luftaustausch ist in den
meisten Reithallen besser als in normalen Sporthallen. Die Atemluft kann
über das Dach oder die Seitenwände abziehen und man kann sich gut aus
dem Weg reiten. Selbst wenn man nebeneinander reitet, hält man den
Abstand ein. Der Reitlehrer muss auch nicht in der Bahn stehen, um zu
unterrichten. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, in der Reithalle
zu reiten.
Ich verstehe es ohnehin nicht, dass man momentan alles dafür tut, den
Profi-Fußball zu ermöglichen. Sportarten, die viel mehr Menschen nach
draußen und in Bewegung bringen, bei denen man Muskeln anspannt wie beim
Reiten, legt man dagegen Hindernisse in den Weg. Dabei sprechen alle
Argumente für das Reiten.
FN-Aktuell: Derzeit gelten 1,5 bis zwei Meter Distanz zu anderen
Menschen als sicherer Abstand, um sich vor einer Ansteckung mit dem
Coronavirus zu schützen. Wie Sie sagen, kann dies im Pferdesport gut
eingehalten werden. Muss es dennoch eine Begrenzung der Anzahl von
Menschen auf der Sportanlage, im Stall oder in der Reithalle geben?
Professor Püschel: Es muss dafür gesorgt werden,
dass es keine Zusammenkünfte etwa in Reiterstübchen, Sattelkammern oder
anderen Gemeinschaftsräumen gibt. Ein normales gesellschaftliches Leben
wie vor der Corona-Krise ist ohne die Gefahr der Ansteckung derzeit
nicht möglich. Dort, wo es eng werden kann und Menschen sich näher
kommen können, ist ein Mundschutz empfehlenswert. Aber nicht, wenn man
auf dem Pferd sitzt und reitet. Wo genug Platz ist, um den
Mindestabstand einzuhalten, gibt es auch keinen Grund für Begrenzungen.
Auf kleineren Anlagen müssen sich die Stallbetreiber und Einstaller gut
abstimmen und hier kann es auch sein, dass man Grenzen ziehen muss.
Diese lassen sich aber nicht pauschal formulieren. Es kommt auf die
Gegebenheiten jeder einzelnen Anlage an. Für bestimmte Situationen, wie
die Vorbereitung der Pferde oder Hilfestellung beim Aufsteigen, muss
entsprechend Vorsorge getroffen werden, etwa durch Aufstiegshilfen und
Abstand beim Putzen und Satteln.
FN-Aktuell: Welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht dafür, dass so bald wie möglich auch wieder Turniere stattfinden können?
Professor Püschel: Wenn Fußballspiele mit
einem riesigen Organisationsaufwand ausgetragen werden – die Masse der
Zuschauer sitzt dann vor dem Fernseher – dann können aus meiner Sicht
noch viel eher Reitturniere stattfinden. Die sind viel einfacher im
Hinblick auf den Infektionsschutz zu organisieren. Natürlich muss die
Personenzahl nach den Vorgaben der Länder begrenzt werden und es müssen
zu jeder Zeit die Abstands- und Hygiene-Regeln eingehalten werden. Bei
einem Reitturnier ist es aber gar nicht nötig, dass Menschen miteinander
unmittelbaren Kontakt haben und Sitzordnungen auf der Tribüne kann man
entsprechend anpassen. Die Veranstaltungen können mit gewissen Regeln
mit Gastronomie und Übernachtungen stattfinden. Kaffee und Würstchen
kann man auch draußen verkaufen. Natürlich muss in der Warteschlange der
Abstand eingehalten werden und ein Mundschutz ist empfehlenswert, wo
fremde Menschen aufeinandertreffen. Generell finden Turniere aber eher
auf luftigen und weitläufigen Anlagen statt, wo sich Menschen in der
Regel gut aus dem Weg gehen können. Wie gesagt ist der Pferdesport
prädestiniert dafür, auch in Corona-Zeiten stattzufinden.
Zur Person: Professor Dr. med. Klaus Püschel ist einer der renommiertesten Rechtsmediziner und leitet das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Er ist nebenbei ebenso Sportmediziner und besitzt eine kleine Herde Islandpferde, die ihr Leben auf 3,5 Hektar Land genießen dürfen. Die Pferde werden hauptsächlich von Püschels Kindern und Enkelkindern, aber gerade auch in Corona-Zeiten oft von ihm selbst betreut und bewegt.
Das Interview führt Julia Basic/fn-press.