Pferde-Osteopathie: Übungen für einen gesunden Rücken

Bild : Hof hohe Birken
Das Glück der Erde liegt sprichwörtlich auf dem Rücken der Pferde. Es muss sehr schwer sein, denn fast jedes dritte Pferd hat Kreuzschmerzen. Neben korrektem Reiten kann die Pferde-Osteopathie dabei helfen, Problemen zwischen Widerrist und Schweifrübe vorzubeugen oder sie zu beseitigen.

Eine Studie der Chirurgischen Tierklinik der Universität München in den Jahren 1995 bis 2000 zeigte, dass knapp 30 Prozent aller untersuchten Pferde an Rückenerkrankungen litten. Hauptursache war das Kissing Spine Syndrom, bei dem sich zwei oder mehrere Dornfortsätze der Wirbelsäule berühren.

In den meisten Fällen sind solche Probleme vom Reiter selbst verschuldet. Zwar wurden krankhafte Veränderungen an der Wirbelsäule auch bei fossilen Überresten von Urpferden gefunden, jedoch in wesentlich geringerem Maße. Das moderne Pferd trägt Sattel und Reiter und wird auch von schlechten Reitern gern zu Höchstleistungen angetrieben. Selbst im großen Sport befolgt nicht jeder die Skala der Ausbildung. „Wird ein Pferd beispielsweise zu eng gemacht und hinter die Senkrechte geritten, so kann es den Hals nicht tragen und verspannt reflektorisch die Rückenmuskulatur“, weiß Beatrix Schulte Wien, Leiterin des Deutschen Instituts für Pferdeosteopathie (DIPO) in Dülmen. Freizeit- und Distanzpferde haben andere Probleme: „Sie hängen meist auf der Vorhand und bekommen deshalb Probleme an den Vorderbeinen.“ Oder auch deshalb, weil sie beim Reiten ständig den Kopf nach oben reißen. Solche „Sternengucker“-Pferde haben keinerlei Spannung zwischen Genick, Rücken und Schweifrübe. Das tragende Nacken-Rückenband hängt durch wie eine ausgeleierte Wäscheleine.

Dr. Anton Fürst von der Pferdeklinik der Universität Zürich bezeichnet die erwünschte Spannung mit dem medizinischen Fachausdruck „Obere Verspannung“. Fürst: „Diese obere Verspannung kann aktiviert werden, indem der Kopf und Hals nach vorne und unten sowie die Hintergliedmassen möglichst weit nach vorne unter das Gewicht des Körpers gebracht werden.“ Im Reiterlatein heißt das vorwärts-abwärts.

„Durch korrekte Anlehnung nimmt der Pferderücken eine flitzebogenähnliche Form an. Dabei dehnen sich die langen Rückenmuskeln und die Bauchmuskeln ziehen sich zusammen“, sagt Beatrix Schulte Wien, die selbst aktive Dressurreiterin ist. In dieser Haltung werden

die Dornfortsätze der Wirbelsäule wie ein Fächer aufgewölbt. Kissing Spines können so kaum entstehen. Ist das Pferd zudem losgelassen, so wird sein Rücken nun weich schwingen, die Hinterhand tritt unter und die Bauchmuskulatur arbeitet – das Pferd geht über den Rücken. „Nur so kommt der Reiter zum Sitzen und das Pferd kann ihn ohne Schaden tragen“, erklärt Schulte Wien.

Pferde vom Osteopath durchchecken lassen

Die Physiotherapeutin und Osteopathin empfiehlt jedem zukünftigen Pferdebesitzer, sein Pferd vor dem Kauf –

oder vor dem Anreiten – von einem guten Osteopathen durchchecken zu lassen. So bekommt man ein genaues Bild von den etwaigen vorhandenen Blockierungen und Verspannungen und kann dagegen angehen ohne einen jahrelangen reiterlichen Kampf gegen ein unwilliges, schmerzgeplagtes Pferd zu führen.

„Wenn dann auch noch der Sattel passt, die Hufe korrekt bearbeitet wurden, die Zähne durchgecheckt sind, wenn mein Reitlehrer sein Handwerk versteht und ich die richtigen Hilfen gebe, dürfte ich eigentlich keine Probleme mehr haben“, meint Schulte Wien. Leider ist diese Liste bei den meisten Pferd-Reiterkombinationen mehr ein Soll-, denn ein Ist-Wert. Insbesondere der Sattel sei ein Hauptfaktor für Rückenprobleme. Neben unpassenden Sätteln hat Beatrix Schulte Wien schlechte Erfahrungen mit einigen Westernsätteln gemacht. Sie waren vorne an der Kammer extrem unflexibel und setzen den Reiter zu weit hinter den Schwerpunkt. Einige von ihr therapierte Quarter Horses werden daher nun im Training mit einem Vielseitigkeitssattel geritten und nur im Turnier mit Westernsattel.

Doch wie kann nun der Osteopath helfen wenn bereits Blockierungen und Verspannungen vorliegen? „Der Osteotherapeut, wie wir diesen Beruf nennen, kann helfen, die Bewegungsqualität des Pferdes wiederherzustellen, indem er alle klemmenden Strukturen wie Muskeln, Gelenke, Sehnen, Bindegewebe oder Narben bearbeitet“, sagt Schulte Wien. „Was er jedoch nicht kann, ist eine Knochenfraktur heilen oder ein ausgerenktes Gelenk wieder einrenken. So etwas ist bestenfalls eine Aufgabe für den Chirurg oder andernfalls für den Schlachter.“

Sanfte Therapie statt Gummihämmer

Ein guter Osteopath findet alle blockierten Stellen am Pferdekörper und bearbeitet sie durch verschiedene Maßnahmen. Das sind einmal sogenannte Manipulationen, die das Gelenk wieder in die richtige Position bringen. Dabei versetzt der Osteopath dem betroffenen G

elenk einen kurzen, gezielten Stoß („Thrust“) mit hoher Geschwindigkeit und kurzer Amplitude. Während dieser Prozedur steht er nahe am Pferd und benötigt keine Hilfsmittel. „Wenn ein Osteopath mit Gummihämmern auf das Pferd einschlägt oder ihm ins Genick springt, sollten Sie die Finger von ihm lassen“, warnt Schulte Wien.

Eine weitere Maßnahme ist die „Mobilisation“, eine weiche Technik, die auch über Muskelstimulation funktioniert. Dabei werden durch den Einsatz von Fingern oder Holzstäbchen Eigenreflexe ausgelöst, die über Hautnerven aufs Rückenmark wirken und von dort umgeschaltet werden auf die Muskulatur. Einige dieser Mobilisations-Techniken können ganz leicht auch vom Pferdebesitzer selbst ausgeführt werden und sind eine wertvolle Vorbeugungsmaßnahme gegen Rücken

probleme (siehe unten). Ähnlich für den Laien nachvollziehbar sind Dehnungsübungen, die die Streck- und Beugemuskulatur der Beine lockern.

„Deep friction“ – tiefe Friktion – nennt sich eine weitere Maßnahme des Osteopathen. Dabei massiert der Therapeut einen Muskel beziehungsweise seine Sehne sehr tief bis auf die Knochenhaut. Daneben bildet das DIPO seine Osteotherapeuten auch in der kraniosakralen Therapie aus, die auf der Bewegung der Hirnhäute, die das Rückenmark umgeben, basiert.

Ausbildung

Das DIPO bietet die Ausbildung zum Osteotherapeuten nur für Ärzte, Tierärzte und Physiotherapeuten an. Wer nicht in diese Gruppe fällt, kann sich aber zumindest zum Pferdephysiotherapeuten ausbilden lassen. Die Pferdephysiotherapie beeinhaltet keine Manipulation und keine kraniosacrale Therapie, ähnelt aber ansonsten der Os

teotherapeuten-Ausbildung. Ein Kurs mit dem Lehrgangsziel „Pferdephysiotherapeut“ dauert 210 Stunden plus Prüfung und findet an acht Wochenenden und einer Woche statt. Ausbildungsstätten gibt es in Dülmen, Neubulach und Berlin.

Mobilisations- und Dehnungsübungen zum Nachmachen

  • Rücken aufwölben: Stellen Sie sich hinter das Pferd. Nehmen Sie sich die stumpfen Seiten von zwei Bleistiften oder Ihre Fingerkuppen zur Hilfe und ziehen Sie diese rechts und links der Mittellinie über die Kruppe und die Pobacken nach unten. Das Pferd sollte dabei seinen Rücken aufwölben. Tut es das nicht, legt die Ohren an oder wehrt sich gegen die Übung, so hat es höchstwahrscheinlich ein Rückenproblem.
  • Mobilisation des Armkopfmuskels: Stellen Sie sich seitlich neben den Hals des Pferdes. Greifen Sie in den Armkopfmuskel seitlich unten am Hals und halten Sie den Griff. Das Pferd sollte darauf hin seinen Hals wölben. Falls es ihn zurückzieht und den Rücken wegdrückt, liegt ein Problem vor.
  • Aufwölben der Sattellage: Stellen Sie sich seitlich neben das Pferd. Greifen Sie eine Hand breit hinter den Ellenbogen die Haut bzw. das Gewebe in der Gurtlage und bewegen es vorsichtig hin und her. Auch in diesem Fall muss das Pferd seinen Rücken aufwölben.
  • Mobilisierung des Schulterblattes: Ziehen Sie einen Vorderhuf Ihres Pferdes bis zum gleichseitigen Hinterhuf. Das macht die Schulterblätter beweglich. Diese Übung ist viel sinniger als das Herausziehen des Vorderhufes nach vorn. Dabei drücken nämlich viele Pferde den Rücken weg.
  • Dehnung der hinteren Oberschenkelmuskeln: Ziehen Sie ein Hinterbein nach vorn in Richtung gleichseitiges Vorderbein. Dadurch wird die hintere Oberschenkelmuskulatur gedehnt.

Daran erkennen Sie Rückenprobleme: 

Rückenprobleme können sich sehr vielfältig äußern. Beispiel: Hat ein Pferd einseitig links Probleme, so kann es hinten links kein Gewicht aufnehmen und tritt hier folglich kürzer. Aus diesem Grund stützt es sich vorne rechts mehr ab. Ergo: Die Sehnen vorne rechts werden überlastet und können anschwellen. Rückenprobleme muss der Tierarzt also im Extremfall sogar in den Beinen finden. Typische Rückenprobleme sind jedoch die folgenden: Das Pferd wälzt sich wenig, ist lustlos und widerspenstig beim Satteln. Schon beim Aufsteigen drückt es den Rücken weg, später zeigt es Anlehnungsprobleme und geht über dem Zügel. Schwierigkeiten beim Biegen und Untertreten, Schweifschlagen, heraushängende Zunge, reduzierte Leistungsbereitschaft.