Veröffentlicht am 23.02.2022 von Kirsten Lemke Reiterrevue International
Hindernisfehler sind ärgerlich. Aber oft vorhersehbar. Denn fehlerfreies Springen ist schlicht eine Frage der Balance von Reiter und Pferd. Ein entscheidender Faktor: der Sitz des Reiters.
Unser Experte
Jörg Jacobs
Der Ausbildungsleiter der Westfälischen Reit- und Fahrschule war selbst in Dressur, Springen und Vielseitigkeit im Sattel erfolgreich. Heute will er seinen Schülern die vielseitige klassische Ausbildung mit auf den Weg geben. Der korrekte Sitz ist eines seiner Lieblingsthemen. www.wrfs.de
Springreiter nehmen es mit Sitzfehlern nicht immer so genau. Schließlich gibt es Profis, die beweisen, dass man auch mit einem Sitz abseits der Norm Große Preise gewinnen kann. Diese Reiter sind jedoch vielmehr ein Phänomen als ein Vorbild. Doch was ist ein Sitzfehler und was fällt in die Kategorie „eigener Stil“? „Alles, was das Pferd stört und aus der Balance bringt, ist ein Sitzfehler“, fasst Jörg Jacobs zusammen. Und das wiederum verursacht Hindernisfehler oder gar Verweigerungen.
Wir sind zu Besuch an der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster. Schulleiter Jörg Jacobs hat sich Zeit für uns genommen, denn es geht um eines seiner Lieblingsthemen: den korrekten Sitz beim Springen. Unterstützung bekommen wir von zwei seiner Schülerinnen. Caitlin Moore kommt aus der Schweiz und ist für einen längeren Trainingsaufenthalt in Münster. Eigentlich möchte sie sich hier auf das dressurmäßige Reiten konzentrieren. Für uns hat sie heute trotzdem im Springsattel Platz genommen. Außerdem dabei: die Auszubildende Ella Hruschka, die in der Vielseitigkeit zu Hause ist. Heute zeigen beide, wie der korrekte Springsitz aussieht, wie man ihn sich erarbeiten kann – und was passiert, wenn sich Fehler einschleichen.
Die Vertrauensfrage
„Das oberste Ziel ist die größtmögliche Harmonie zwischen Reiter und Pferd“, sagt Jörg Jacobs. „Es geht darum, es dem Pferd so leicht wie möglich zu machen und eine optimale Gymnastizierung zu erreichen. Das Pferd soll den Rücken aufwölben, den Hals als Balancierstange nutzen können.“ Ein weiterer, nicht unerheblicher Punkt: das Vertrauen. Gerade im Parcours. Denn nur, wenn der Reiter ausbalanciert im Sattel sitzt, hat er sein Pferd auch optimal an den Hilfen und kann es vor und nach dem Hindernis entsprechend begleiten. Fühlt ein Pferd sich allein gelassen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es den Absprung vor dem Hindernis verweigert.
Gegengewicht schaffen
Dass man im Sattel nicht in Balance ist, sei relativ leicht zu erkennen, so Jacobs: „Sobald man die Zügel oder die Knie braucht, um sich im Sattel festzuhalten, ist man nicht im Gleichgewicht.“ Da der Oberkörper im Springsitz leicht nach vorn geneigt ist, damit der Reiter sich den Bewegungen seines Pferdes optimal anpassen und flexibel reagieren kann, muss der Reiter sein Gesäß quasi als Gegengewicht nutzen.
Probieren Sie’s mal aus: Stellen Sie Ihre Füße hüftbreit auseinander und neigen Sie den Oberkörper leicht nach vorn. Gehen Sie nun langsam in die Knie, ohne dass Ihre Fersen dabei vom Boden abheben. Diese Position müssten Sie auch im Sattel einnehmen, um in Balance zu sein. „Man muss das Pferd unter dem Reiter wegradieren können und der Reiter muss trotzdem stehenbleiben“, fasst Jacobs zusammen.